Pihlaka-Tagebuch, 5. Jahr
Hinweis: Auf der Startseite ist immer das aktuelle Jahr. Falls ihr länger nicht oder noch nie hier gewesen seid, fangt beim Vorwort und den ersten Jahren an, sonst dürfte es schwer sein, alles zu verstehen.
Namen und Orte, die häufig vorkommen:
Hans – mein langjähriger Lebensgefährte, der leider nicht mitziehen wollte, aber immer noch mein bester Freund ist
Theda – meine deutsche Freundin, die 2019 nach Estland gezogen und verstorben ist
Katrin und Argo – Estin, die ich über Theda kennengelernt habe und ihr Mann
Argo – Katrins Mann
Ester – Estin, die mir vor allem in der ersten Zeit viel geholfen hat
Erhard – In Pärnu und Kiel lebender deutscher Musiker, auch ein zuverlässiger Helfer
Raido, Anu und Alan – Raido und Anu waren Thedas Nachbarn, Anus Cousin Alan und Raido sind hervorragende Handwerker
Karl-Heinz, Tiina und vier Kinder – deutsch-estnische Familie in der Nähe von Pärnu lebend
Natalia – In ihr stecken gleich drei Nationen, gebürtige Russin, die teils in Estland bei den Großeltern aufgewachsen ist und lange in Deutschland gelebt hat – ihr Mann ist Franzose.
Ave – estnische Freundin aus Häädemeeste
Aivar, Urve, Ülle und Ain – meine Nachbarn mit den Hunden Perta (Schäferhündin) und Bruuno (Pekinese)
Raigo – Nachbar von der anderen Seite
Eeva – Nachbarin jenseits Via Baltica und meine Eierverkäuferin
Vilma – mein Hund
Und noch eine kleine Ortskunde:


Pihlaka – mein Hofname, ausgesprochen Pichlaka. Talu ist der Bauernhof und Pihlaka die Vogelbeere
Penu – das ‚Dorf‘ in dem ich lebe, aber keins ist, sondern nur vereinzelte Häuser eines abgesteckten, überwiegend bewaldeten Gebiets. 22,8 km² groß mit nur 62 Einwohnern
Räägu tee – Die Straße in der mein Haus steht, bis zur Küste führt und übersetzt Wachtelkönigweg bedeutet
Kabli – Dorf direkt am Strand ganz in der Nähe mit Tante Emma-Laden, 6,1 km², 242 Einwohner
Massiaru – nächstes Dorf im Landesinneren
Häädemeeste – nächstliegender größerer Ort mit guter Infrastruktur, hieß zur deutschen Zeit Gudmannsbach. 4 km², 589 Einwohner
Pärnu – mit gut 40.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Estlands, 50km von hier gelegen, hieß zur deutschen Zeit Pernau
Pihlaka-Tagebuch, 5. Jahr
11. Jaanuar
Hier im Landkreis werden die Geschäfte in den nächsten Wochen keine Zitronen absetzen können. Ein LKW mit etlichen Tonnen Zitronen ist auf der Via Baltika verunglückt und einen Abhang runtergerollt. Jeder darf sich bedienen. Das würde in Deutschland wohl nicht passieren, da würde alles entsorgt werden. Die Früchte interessieren mich nicht, ich vertrage sie nicht. Aber ich habe auf die Kisten für Apfellagerung spekuliert und bin trotz heftigem Schneefall hingefahren. Aber es war schon dunkel, sehr glatt und chaotisch dort, nicht wegen der Leute, die sind hier sehr zivilisiert, aber es lagen viele Trümmerteile rum und der Abhang war steil. Es war auch schwer zu erkennen, welche Kisten noch heil sind. Die meisten guten sind wohl schon für den Zitronentransport abtransportiert worden.

Nachtrag: Da meinte doch tatsächlich eine Leserin, das wäre Diebstahl. Ja, in Deutschland wäre es das, traurig genug!
26. Jaanuar
Bisher habe ich die Winter hier ja durchaus geliebt. Aber dieses Jahr… es regnet viel, es schneit selten und wenn, dann ist die Pracht schnell wieder weg. Die Sonne sieht man kaum und das ist ohne Schnee einfach zu dunkel. Auch die Natur ist irritiert: bis auf die Tulpen strecken schon alle Frühlingsblüher die Köpfe aus der Erde. Normalerweise sieht das so aus, dass die Schneeglöckchen von Februar bis April blühen und dann erst alles andere kommt. Pärnu hatte letztes Wochenende eine Attraktion der besonderen Art. Ein Braunbär hatte des nachts einen Spaziergang durch die Innenstadt gemacht. Der war wohl auch verwirrt vom Wetter, dass ihn geweckt hat.
4. Veebruar
Durch einen lieben Sponsor wurde es mir ermöglicht weiter zu renovieren. Das Wohnzimmer hat für mich zwar einen sehr untergeordneten Stellenwert, aber trotzdem bin ich aus drei Gründen froh, dass ich es nun machen kann: Bisher wird dieser Raum ausgiebig von Mäusen bewohnt, was nur durch Renovierung behoben werden kann, ist der Dringenste. Ein weiterer Vorteil ist aber auch, dass ich Gästen nicht mehr mein Schlafzimmer abtreten muss. Und der dritte: Ich kann endlich alle Kisten auspacken. Etliche stehen nämlich noch im Saunahaus, darunter fast alle meine Bücher und da habe ich leider schon festgestellt, dass sie von Mäusen angenagt wurden.
Ein bisschen Schiss hatte ich schon. Als erstes kam die Terrassentür dran. Die letzte von Theda ist wesentlich breiter, als die beiden anderen. Aber alles ist gut gegangen, inzwischen ist die Tür eingesetzt. Sorry, noch ungeputzt, denn erst müssen die Schleifarbeiten abgeschlossen sein, dann kommt der Putzlappen. Heute wurde das letzte alte Fenster seitlich entfernt und die Lücke mit Balken verschlossen. Nun müssen noch Balken wie auch der Boden abgeschliffen werden. Meine Arbeit ist es, die Balken + Zwischenräume vom Putz und von Nägeln zu befreien.


7. Veebruar
Heute sind meine Handwerker endlich fertig geworden. Die Wände sind viel heller und schöner als ich dachte. Ich habe allerdings gerade einen Leinöl-Test gemacht und damit wird es sehr dunkel. Ich lasse es erst mal so und wenn es nicht mehr gut aussieht, kann ich immer noch lasieren.
Dafür sieht der Boden geölt super aus, aber der muss noch abgeschliffen werden. Das macht jetzt leider keinen Sinn, denn zum Ölen ist es noch zu kalt.


Der Außenrahmen der Terassentür wird natürlich noch blau sobald das Wetter passend ist.
8. Veebruar
An diesem Wochenende werden wir als europäische Stromnetz angeschlossen. Bisher waren wir mit dem Russischen verbunden. Ich habe Sorge, dass wir jetzt auch europäische Preise bekommen und die deftigen Preise der letzten zwei Wochen schon ein Vorgeschmack waren. Wäre ja auffällig, wenn sie mit der Veränderung steigen würden. Stattdessen wird es mit Windflaute erklärt. Macht für mich keinen Sinn, denn Estland bezieht den Großteil der Energie aus Ölschiefer. Windräder gibt es hier noch nicht viele.
Mich hindern die hohen Preise (bis zu 70ct/kWh!) daran, mit der Aussaat zu beginnen.
9. Veebruar
Da lebe ich bereits vier Jahre hier und sehe im Land der Elche nicht einen einzigen. Aber heute und was für einer! Dass es hier welche gibt, weiß ich, seit ich mal in luftiger Höhe einen Leckstein gefunden habe, der auch gut genutzt war. Mir fiel erst gar kein Tier ein, dass diese Höhe braucht, außer Giraffen. Als ich heute mit Vilma die Morgenrunde machte, gab sie einmal Kniegas. Ich habe darauf nicht reagiert, weil sie morgens immer sehr lauffreudig ist. Zunächst blieb sie auch auf der Straße, aber dann bog sie abrupt im rechten Winkel in den Wald ab. In den Urwäldern hier ist die Sicht auf wenige Meter begrenzt. Auf Zuruf reagierte sie auch nicht mehr. Es dauerte ein oder zwei Minuten, da regte sich in Sichtweite was. Und dann spazierte in alter Elchmanier ein älterer Bulle gemächlich über die Straße. Himmel, was für ein Riese! Da hat Vilma Glück gehabt, dass die Brunst schon vorbei ist. Sie kam auch kurze Zeit später und ich glaube, die Größe hat sie beeindruckt, da sie in gehörigem Abstand folgte.
15. Veebruar
Am frühen Morgen erwache ich durch Hühnergeschrei. Aufwachen von 0 auf 100. Als erstes schreie ich mal laut durchs offene Fenster. Vilma lasse ich raus, aber sie versteht überhaupt nicht, was los ist. In Windeseile in ein paar Klamotten geschlüpft und im Laufschritt mit Vilma zum Tomatenhaus, wo die Hühner derzeit leben. Nur noch zwei Hühner da und ein Fuchs, ein Huhn aufgeregt hin und herlaufend, das andere bewegungslos am Boden. Vilma rennt erst auf ihn zu, hält dann aber Abstand. Undbewegt starren sich beide in die Augen. Der Fuchs könnte durch das Loch, durch das er gekommen ist fliehen. Doch er wählt den gefährlicheren Weg: die zehn Meter bis zur offenen Tür. Vilma setzt ihm nach, ich lasse sie gewähren in der Hoffnung, dass es Meister Reinecke eine Lehre ist und er ein Wiedersehen vermeiden will. Das verbliebene Huhn bringe ich zum Übergangsstall, dort ist es sicher. Futter und Wasser hole ich auch noch, da sehe ich, dass sich das totgeglaubte Huhn leicht bewegt. Ich untersuche es, finde aber keine Verletzungen. Es liegt aber seitlich und lässt sich nicht in eine andere Lage bringen: Schock. Mein Hirn erfasst in diesen frühen Morgenstunden aber noch nicht die Tragweite, denn ich bringe es zu dem anderen und lege es dort auf den gefrorenen Boden in dem Glauben, dass es dann aufsteht und sich auf die Stange setzt. Zurück im Haus, lege ich mich noch mal hin und schlafe noch ein paar Stunden tief und fest. Als ich nach dem Aufstehen nach dem Huhn schaue, liegt es unverändert am Boden und ist völlig ausgekühlt. Ich nehme es zum Aufwärmen ins Haus und bekomme noch den Tipp Wärmflasche. Es dauert noch einige Stunden, dann sitzt das Huhn aufrecht in der für Hühner typischen Stellung. Mittels Pipette kann ich ihm nun Wasser einflößen. Ein paar Krümel Gerstengrütze versuche ich auch, aber das gestaltet sich schwierig.
16. Veebruar
Da komme ich von der Morgenrunde mit Vilma zurück und wer steht da? Das vermisste Huhn! Es hatte sich wohl versteckt und da ich die aufgetaute Tränke ans Tor gestellt hatte, damit ich sie nach dem Spaziergang den Hühnern bringen kann, hat sie die Gelegenheit genommen und getrunken. Diese Kampfhühner!
Meinem Intensivpatienten geht es besser, die Henne – übrigens das einzige Junghuhn vom letzten Jahr, das gerade angefangen hatte zu legen – frisst und trinkt nun selbstständig. Es gibt in Knochenbrühe gekochte Gerstengrütze, die verschlingt sie gierig. Ich hoffe, dass sie heute zu Kräften kommt und endlich aufsteht. Bisher sitzt sie weiterhin bewegungslos in ihrer Kiste. Es kann natürlich gut sein, dass sie innere Verletzungen hat und deswegen nicht laufen kann. Das wird sich in den nächsten Tagen zeigen.
21. Veebruar
Häädemeeste hat ja viel Infrastruktur zu bieten. Was ich noch nicht entdeckt hatte bislang: Es gibt einen artesischen Brunnen. Da es sich nun scheinbar ausgeregnet hat und mein Regenwasservorrat zur Neige geht, habe ich mich heute auf die Suche gemacht. Der Druck mit dem das Wasser ausströmt ist echt enorm. Leider sieht man schon an den Verfärbungen der Steine, dass das Wasser sehr eisenhaltig ist. Es schmeckt auch metallisch und einen minimalen Schwefelgeruch habe ich zeitweise auch wahrgenommen. Vilma hat noch nicht mal probiert, sie zieht Regenwasser vor. Es ist ja nicht für lange, bald gibt es Birkenwasser. Und regnen wird es auch wieder.

Update zum Huhn: Es geht es deutlich besser, aber das Laufen ist immer noch eingeschränkt. Es bekommt nun „Ergotherapie“. Tagsüber wird es raus gesetzt und muss auf Futtersuche gehen. Koordination von Fuß, Auge, Mund sind da gefragt. Nachts kommt es noch ins Haus. Leider hacken die „Alten“ das Junghuhn, das sie selbst ausgebrütet haben. Eier legt es inzwischen auch wieder und profitiert vom Licht, dass zwischendurch abends mal angeht und zum Fressen animiert.
4. Märts
Seit dem Wochenende sind die Strompreise wieder „normal“. Einen Durchschnittspreis von 3 Cent pro Kilowattstunde lasse ich mir doch gefallen. Höchste Zeit für die Aussaat, die ich verschoben habe, da ich ja mit Licht und Heizmatte arbeite. Unter der Platte befindet sich eine Reptilienheizmatte. Die Beleuchtung ist eine 10 Watt und 6500k-Birne in kaltweiß.
Nach der Überforderung im letzten Jahr mit 123 Tomatenpflanzen war ich dieses Jahr sehr zurückhaltend. Die 150er Anzuchtplatte muss natürlich gefüllt werden. Aber ich habe etliche Pflanzen anderen versprochen. So sind nun 135 Tomaten- und 15 Paprikasamen in der Erde. Wenn nun nicht annähernd alle aufgehen, sind es glatt für mich zu wenige, aber Tomaten sind ja fleißige Keimer.

7. Märts
Nach dem lauen Winter ist auch schneller das Frühjahr da. Es ist zwar deutlich kälter als bei euch, aber ich konnte heute mal den Garten inspizieren. Im letzten Jahr habe ich ja einen Teil mit Teichfolie abgedeckt. Damit hatte ich in Deutschland gute Erfahrung zur Bekämpfung von Giersch gemacht, doch die ist leider nicht auf hier übertragbar. Zwar ist oberirdisch alles abgestorben, doch die Wurzeln bilden so ein kräftiges Geflecht, dass da kein Durchkommen ist. Die sehen auch leider quicklebendig aus und die Erde dazwischen ist hart wie Beton. Frustrierend, ich hatte mich schon darauf gefreut, den Garten zu erweitern.
Ein ersten Tomaten sind gekeimt.
13. Märts
Heute gibt es mal eine Kinokritik. Ich bin absolut kein Kinogänger, aber da das Wetter wieder eisig und lausig ist, habe ich mich Katrin und Argo angeschlossen, um einen besonderen Film anzusehen. Vorab: Wir waren nicht so wirklich angetan, weil uns die Botschaft des Films nicht klar war. Letztendlich gab es aber wohl keine und es ging vor allem um die Machart des Films und die war wirklich exzellent.
Der Film heißt Flow, ist ein Animationsfilm und das Besondere daran ist, dass es eine lettische Open-source-Produktion ist und trotzdem einen Oskar gewonnen hat. Er kommt ohne Sprache aus, denn die Hauptdarsteller sind Tiere. Diese sind extrem gut dargestellt, da kannte sich jemand wirklich mit dem Verhalten der Tierarten aus. Handlung ist eine Flut und wie die Tiere überleben. Etwas surrealistisch und vermenschlicht dargestellt, aber das kann man angesichts der naturgetreuen Verhaltensweisen verschmerzen. Die Animation – ich bin kein Freund davon – ist sehr gelungen und mit schönen Effekten.
Und so nebenbei: Was ist man im Baltikum im Kino? Kümmelkekse!
4. April
Nun lebe ich schon vier Jahre auf dem Hof. So viel hat sich geändert in dieser Zeit.
Als nächstes Projekt müssen dringend größere Tiere her. Stallentwässerung ist also angesagt. Ehrlich gesagt, wenn mir das Wasserproblem im Stall gleich aufgefallen wäre, hätte ich den Hof nicht gekauft. Wäre vielleicht dann nicht nach Estland gezogen. Ich wage zu behaupten, dass ich in Deutschland für mich keinen Platz gefunden hätte, wo ich so glücklich bin.
Gerade war „Raubtierfütterung“. Die Hühner bekommen gelegentlich eine Fleischmahlzeit. Hühner sind nämlich keine Vegetarier und brauchen tierisches Eiweiß. Füttert man sie vegetarisch kann es passieren, dass sie sich gegenseitig „anknabbern“ oder die Eier auffressen. Viel brauchen sie nicht. Man kann hier im Supermarkt für kleines Geld gewolfte Fleischabfälle kaufen, die mit Knochen durchsetzt sind. Gerade richtig für die Hühnchen, da ist dann der Kalkanteil gleich mit drin. Ich friere es in kleinen Klumpen ein und davon bekommen sie alle paar Tage einen. Die Menge bestimmen sie praktisch selbst. Wird genug gegeben, fressen sie es genüsslich auf, haben sie Mangel, wird um das Fleisch gekämpft. Auch Vilmas ausgekochte Rinderknochen

5. April
Mich hat der Zorn des Schneegotts getroffen. Die ganze Woche war es herrlich warm und sonnig, richtig schönes Frühlingswetter. Da wache ich heute auf und es ist sehr hell im Schlafzimmer. Nanu, verschlafen? Nein, wir sind eingeschneit. Ich befürchte, dem Wettergott des Schnees hat es nicht gefallen, dass ich gestern das Bild am oberen Rand auf Frühling umgestellt habe, weil das Schneebild nicht mehr passend war. Heute passt es wieder.
So herrlich zart-grün wie auf dem Bild ist es natürlich auch noch nicht. Aber WordPress zickt mal wieder rum und schnibbelt an den Bildern rum. Daher ein altes Bild mit altem Dach.

15. April
Der Schnee ist weg, das Wetter ist toll und ich ersticke in Arbeit und weiß gar nicht, was ich zuerst machen soll. Der Parkplatz muss neu gemacht werden, Feuerwehrauto „Otto“ hat ihn ordentlich zerwühlt. 150 Tomaten wollen getopft werden, dadurch entsteht Platzmangel, was bedeutet, dass ich einen Großteil tagsüber ins kleine Gewächshaus bringen muss und abends zurück ins Haus.
Der Garten müsste auch dringend gelockert werden und den Teil, den ich im letzten Jahr mit Folie abgedeckt habe, von Wurzeln befreit werden. Ich habe da schon einen Blick drunter geworfen, oberirdisch alles gut, aber unterirdisch so verwurzelt, dass ich keinen Spaten in die Erde bekomme. Das muss ich mit der Spitzhacke erst mal auflockern. Und steht damit hintenan. Die Blumenbeete sehen schrecklich aus, aber dafür ist es zu trocken. Und dann sind da noch die Kröten. Ich habe inzwischen einen Eimer an der Straße deponiert. Zu Hunderten sitzen sie dort und warten darauf überfahren zu werden. Auch wenn hier nur selten Verkehr ist, zucke ich bei jedem Auto und jedem Holztransporter zusammen. Also einsammeln, wegbringen. Aber es sind viele, so viele, dass ich mir einen Campingstuhl an die Straße stellen müsste. Auch im See tummeln sich so viele, dass man nicht glauben mag, da es dieses Jahr Stechmücken geben wird. Aber da mache ich mir keine Illusionen.



25. Aprill
Die Krötenwanderung wurde von kaltem Wetter beendet. Heute Morgen schaute ich in meinen Weiher und sah schon von Weitem, dass der Laichteppich verschwunden ist. Die Kaulquappen müssen frisch geschlüpft sein, denn sie tummelten sich zu Tausenden noch an der Laichstelle. Mögen sie guten Appetit haben.
Ich fange ja immer 20 verschiedene Handarbeitsprojekte an und nichts wird fertig. Außer ich habe Druck. Für Chorkonzerte brauche ich einen roten Fummel. Ein Jahr habe ich gebraucht, aber jetzt ist er fertig:

2. Mai
Heute war der stressigste Tag meines estnischen Lebens. Ich hatte neulich ein paar neue Beerenbüsche pflanzen wollen. Dabei fiel mir auf, dass einer der verbliebenen Ahorne am Haus einen dicken Spalt hat. Da der Baum in der Trasse der Elektroleitung steht, habe ich die Elektrizitätsgesellschaft informiert, sie wollen sich das innerhalb von 30 Tagen anschauen. Ich dachte mir noch so: ‚Na prima, hoffentlich kommt zwischenzeitlich kein Sturm‘. Heute morgen wurde ich von ebendiesem geweckt. Baum stand noch, schwankte aber bedrohlich. Im Laufe des Tages wurde der Riss immer tiefer und breiter, Fallrichtung direkt aufs neue Dach. Am Nachmittag knackte es und ich habe alle möglichen Leute um Rat gefragt. Das Problem ist, dass man den Baum nicht einfach umlegen kann, Elektroleitung und Haus sind im Weg und die Fallrichtung geht auch eindeutig Richtung Haus, da der Baum durch seine starke Verästlelung nicht gerade steht. Aber Nachbar Ain war da und hat nun erst mal seinen Traktor so platziert, dass der Baum mit einem Seil gesichert werden konnte. Das Fällen ist ihm aber auch zu gefährlich, er will den anderen Nachbarn Raigo um Hilfe fragen. Puh, ich sah schon mein Dach zerstört!


12. Mai
Es ist vollbracht, Gefahr gebannt. Die Nachbarn haben ihn auch nicht fällen wollen, es war einfach zu gefährlich und mir war es auch lieber, dass sie es nicht machen. Die Elektrizitätsgesellschaft ist bis heute nicht hier gewesen, die reparieren scheint’s lieber Leitungen, als Bäume zu fällen. Urve hat dann jemand aus Häädemeeste beauftragt, er kam vorhin mit einem Bagger zum Abstützen und schwups lagen zwei Bäume am Boden. Leider haben sie auch zwei meiner Lieblingsapfelbäume mitgerissen. Die waren zwar uralt, aber eben superlecker und lange lagerfähig. Für morgen habe ich jemanden organisiert, der mit die Stämme zerlegt, dafür ist das Schwert meiner Säge nicht lang genug.
13. Mai
Ich kann es noch gar nicht fassen, wie jemand so dreist sein kann! Bei meiner Suche nach jemandem der die Bäume fällt, hat sich auch ein Ukrainer angeboten. War mir aber zu heikel, weil er keinen Traktor zur Unterstützung hat und eine Versicherung sicherlich auch nicht. Ich habe ihn aber gefragt, ob er mir die Bäume anschließend sägt. Er hat zugesagt und gemeint, er könne auch andere Arbeiten für mich machen für kleines Geld. Solche Angebote sind mir natürlich immer willkommen, zumal er in der Nähe wohnt und meine Handwerker selten Zeit haben. Also habe ich ihn gefragt, wie viel er pro Stunde nimmt. Seine Antwort war 12-15€ je nach Arbeit. Das finde ich nun nicht gerade wenig, nehmen Raido und Allan auch und die machen das gewerblich. Aber gut, Hauptsache mir macht jemand die Bäume klein. Er kam, schaute sich die Chose an und wollte dafür 150€ haben. Für maximal eine Stunde Arbeit! Als ich mich geweigert habe, fing er erst an zu argumentieren, dann wurde er wütend. Das Ganze ständig über Google Translator, weil er kein einziges Wort Estnisch spricht, von Englisch ganz zu schweigen. Was denkt er sich, kommt hier her ohne jegliche Integrationsbemühungen, ich bin schon bereit, das Dreifache vom Mindestlohn zu zahlen und er zeigt mir einen Vogel und wird pampig. Solche Leute habe ich echt gern!
14. Mai
Teures Saatband kaufen? Völlig unnötig, das mache ich schon immer selbst. Dieses Jahr bin ich spät dran, eigentlich ist das eine Arbeit für lausige Wintertage, aber ich habe es ständig vor mir hergeschoben. Für Möhren finde ich es aber einfach erforderlich und da das Wetter jetzt noch lausig ist, auch nicht zu spät. Nun sind 18 Meter fertig. Wer wissen will, wie es geht, kann unter Selbstgemacht nachlesen.
15. Juuni
Uff, schon wieder ein Monat vorbei! Während ihr schwitzt, ist es hier nur mäßig warm. So richtig Sommer will es nicht werden, aber es reicht, um die Zunge mit Eis zu kühlen und am Abend den Ofen zum Kochen anzumachen, was die Luftfeuchte im Haus auf ein gesundes Maß bringt. Die Mücken feiern mal wieder Party. Ich laufe inzwischen im Imkeranzug rum.
Ich hatte eine Woche Arbeitsbesuch und es ist spitze, was wir in der kurzen Zeit geschafft haben. Alle Tomaten sind gepflanzt, die Kartoffeln in der Erde, der Schuppen geräumt, der Rasen gemäht und Wege gesenst, sowie einige andere Sachen erledigt. Und ich komme jetzt mal zu all den Dingen, die Prio 2 haben.
Der Sommer wird noch hart werden, ein letzter, aber echt heftiger Kraftakt. Der Stall wird entwässert und Fenster eingebaut. Und im Haus werden die Boden in Küche und Wohnzimmer geschliffen und behandelt. Mir graut es davor, es bedeutet, dass ich alles, was jetzt im Saunahaus, Wohnzimmer und Küche steht, ausräumen und im dafür leergeräumten Schuppen einlagern muss. Ich werde mit Vilma in dieser Zeit ins Saunahaus ziehen, denn man kommt nicht in die Räume, ohne durch die Küche zu gehen. Der Boden im Wohnzimmer wird geölt und ich hoffe, dass er überall so schön aussieht wie an der Stelle des Probeschliffs. In der Küche liegt ein 3 Jahre alter Kiefernboden, der zwar lackiert, aber durch die Hundekrallen derart verunstaltet ist, dass man denkt, er liegt schon 100 Jahre dort. Ich habe einen Speziallack gekauft, hundekrallenresistent. Dieser muss jedoch schlappe 16 Tage aushärten, bis er belastet werden kann. Das Leinöl muss vier Wochen einziehen, aber da ich das Wohnzimmer auch bisher nicht wirklich genutzt habe, ist das egal. Aber danach habe ich ein Wohnzimmer! Nicht, dass ich wirklich eins bräuchte, aber das Chaos wird gelichtet und meine Bücher vor den Mäusen gerettet, die sie schon ordentlich angeknabbert haben. Bisher sind halt noch viele Dinge ohne wirkliches Zuhause und stehen hier und da rum. Bis Mitte August wird alles hoffentlich fertig sein.
23. Juuni
Von Theda kam heute ein letzter Gruß in Form einer Überweisung. Sie hat mir etwas vererbt. Es wird reichen um den Stall fertig zu machen und Schafe und Ziegen zu kaufen. Es ist merkwürdig viereinhalb Jahre nach ihrem Tod von ihrem Konto eine Überweisung zu bekommen und klar… macht auch wehmütig. Es wäre einfach schön, wenn sie noch hier wäre.
30. Juuni
Die Tage habe ich mal auf die Workaway-Seite geschaut. Im ersten Jahr konnte ich mich vor Anfragen nicht retten, ab dem zweiten Jahr kam dann kaum noch etwas. Den Grund habe ich dann über einen Workawayer erfahren, das Preissystem hat sich geändert. Die Hosts zahlen nichts, aber die Workawayer haben früher pro Aufenthalt gezahlt und zahlen seit letztem Jahr einen Jahresbeitrag. Toll für all die, die das ganze Jahr unterwegs sind oder zumindest ein paar Monate. Für diejenigen aber, die nur einmal Arbeitsurlaub machen wollen, ist ein Jahresbeitrag happig. Ich habe deswegen Anfang des Jahres ein zweites Portal dazu genommen, das kostenlos für beide Seiten ist.
Ab und zu schaue ich aber mal rein, denn man kann auch gezielt Leute anwerben. Und so fand ich die Tage ein älteres Paar aus der Schweiz, dass mit Van unterwegs gerade in Lettland weilt. Ich habe sie angeschrieben, ob sie noch weiter nach oben wollen. Als Antwort kam, dass ich bereits auf ihrer Favoritenliste stehe, aber wahrscheinlich keine Zeit bleibt. Sie wollen nämlich noch zum Sängerfest und zum Folkfestival. Witzigerweise machen sie aber gerade Workaway ganz in der Nähe und wir könnten uns ja mal treffen. Es stellte sich heraus, dass sie bei einer Familie sind, die grenznah auf der lettischen Seite lebt und deren Profil ich schon gesehen habe. Ich hatte bereits auf eine Gelegenheit gehofft, sie mal kennenzulernen – leider können Hosts keine Hosts anschreiben. So war aber nun der Kontakt geknüpft und ich wurde für heute eingeladen. Edgars ist Lette, Clare kommt aus Florida. So gab es denn Hähnchen auf amerikanische Art, mit einer leckeren Brot-Gemüse-Füllung. Und zum Nachtisch mitgebrachtes Mangoeis. Als ich später aufbrach und die Eisdose anhob, stellte ich fest, dass sie schwerer als zuvor war. Darin befand sich ein Glas Pfifferlingspastete. In Lettland ist es Brauch, einen Behälter niemals leer zurückzugeben.
2. Juuli
Der erste Sommertag, angenehm warm mit 22°C im Schatten um halb elf, sonnig, windstill. Von meiner Mutter kam gerade die Meldung 41°C bei ihr. Während ihr schon lange schwitzt, war es hier die ganze Zeit kühl, stürmig, regnerisch. Ich habe mal nachgeschaut, die Wettergrenze ist an der deutsch-polnischen Grenze.
Hier gibt es ein Schlangenjahr. Eigentlich schlecht ausgesucht, die mögen es ja auch gerne warm und sonnig. Sie sind so zahlreich, dass man ihnen ständig begegnet und auch schon mal eine überfährt, wie mir letzte Woche passiert ist. Sie sonnen sich halt gerne auf der Straße, was ihnen zum Verhängnis wird. Ich hoffe, sie dezimieren ordentlich die Mäuse.
Man kann jedem Wetter was Gutes abgewinnen. In den letzten Tagen konnte ich wegen des starken Windes viel im Garten arbeiten, weil der Wind die Mücken vertrieben hat. Mein Vorgarten blüht herrlich, aber der Nachteil ist, dass sich darin die Mücken tummeln. Morgens, wenn noch alles feucht ist, kann man kaum nach draußen gehen, weil sich die Stechbiester im Eingang tummeln. Aber schön aussehen tut es!

6. Juuli
Vor drei Tagen begann das große Sängerfest „laulupidu“, heute mit großem Abschlusskonzert, ganze acht Stunden! 30.000 Sänger und 5000 Musiker gaben alles und bei der Hymne flossen Tränen der Gerührtheit. Ich wäre gerne hingefahren, aber jemanden in dieser Zeit für Vilma zu finden, ist nahezu unmöglich, schließlich will jeder dabei sein. Letztlich war ich dann doch nicht so unglücklich, nicht dabei gewesen zu sein, denn das Wetter war – wie die ganze Zeit schon – schäbig und nass. Die Esten nehmen es gelassen, da wird über die traditionelle Kleidung eben ein Regencape geworfen und die Blumenkränze im Haar wurden fleißig gegossen. So manch einem klebte das Haar am Kopf, aber darauf kam es nicht an, nur die Stimme zählte.
Das Sängerfest hat eine 200 Jahre alte Tradition und wird alle fünf Jahre ausgetragen. Nicht nur in Estland, sondern auch zeitversetzt in den anderen baltischen Ländern. Dabei ist der Ursprung, wie ich letzte Woche erfahren habe nicht hier, sondern im Appenzell. So war denn auch ein Appenzeller Gastchor vertreten.

Das Finale: Man sieht kaum noch die Grenze zwischen Sängern und Publikum.

Dirigenten, Chorleiter und Komponisten wurden zum Abschluss mit Eichenkränzen geehrt.

Blumenkränze auch bei den Zuschauern und sogar bei einer Skultur
7. Juuli
Noch immer laulupidu-Lieder singend begebe ich mich heute daran, Brennholz zu stapeln. Heute Morgen sind 10 Raummeter gekommen. Leider hat mein lettischer Lieferant immer solche Riesenstücke dabei, die ich dann noch weiter spalten muss.

Holz stapeln ist übrigens nicht so einfach wie es aussieht. Sitzen die Scheite nicht fest aufeinander, kann der Stapel ins Rollen kommen und das ist mitunter lebensgefährlich. Da der Holzschuppen nun ein neues Dach hat, kann ich Längsbretter anbringen, was die Sache erheblich vereinfacht.
11. Juuli
Mein Tag beginnt mit dem Aufsammeln von Stecknadeln mit einem Magneten. Der als gut erzogen beschriebene Vizsla hat sich in der Nacht meines Sofas im Arbeitszimmer bemächtigt und sämtliches nicht fest verbundene Polstermaterial, sowie meine Nähutensilien, mit denen ich gestern angefangen hatte eine Hose abzuändern, runtergeschmissen. Sie öffnet leider Türen. Das Einzige, worauf sie hört, ist ihr Name. Selbstredend, dass sie keine Sekunde alleine bleibt und auch aufs Klo mitwill. Gut, dass Hunde so viel schlafen…

Meine Handwerker sind da und sägen gerade Löcher in den Stall, um Fenster einzubauen. Ich bin gespannt, ob es darin dann wesentlich heller wird, denn wirklich groß sind die Fenster im Verhältnis zum Stall nicht. Man ist abergläubig hier, ein Hufeisen war im Weg, es wurde abgenommen und dann versetzt gleich wieder angeschlagen.
Update: Nicht richtig hell, aber doch ein deutlicher Unterschied zu vorher, wo man selbst tagsüber Licht anmachen musste. Na gut, die Fenster hätten mal eine Reinigung nötig gehabt. Wird in Zukunft ein bisschen Arbeit, die sauber zu halten.


22. Juuli
Eigentlich dachte ich ja nicht, dass ich diese Woche noch an meinem Schreibtisch sitzen kann, weil nun eigentlich der Lack in der Küche aushärten sollte. Aber ich muss mich in Geduld üben. Die Ränder müssen noch nachgeschliffen werden. Das wollte ich gestern mit dem Exzenterschleifer machen und hatte dafür im Baumarkt 40er Schleifscheiben gekauft. Ich habe es schon mal erlebt, dass die nach ein paar Runden einfach abfallen, wenn es keine Markenware ist, aber es gab nur in einem Laden welche mit grober Körnung, ich hatte also keine Wahl. Nun musste ich im Internet welche bestellen, weswegen ich nun hier voraussichtlich zwei Tage arbeitslos rumsitze. Immerhin kann ich solange Schlaf- und Arbeitszimmer nutzen und mal ein Buch lesen. Ewig nicht mehr gemacht!
Am Wochenende hat Aves Sohn Ville mir die Böden in Küche und Wohnzimmer abgeschliffen. Das Wohnzimmer war eine echte Herausforderung, da der Boden wellig war und dadurch ein hoher Abtrag nötig war. Es war zudem sehr warm, also wirklich keine schöne Arbeit. Aber Ville hat die Zähne zusammengebissen. Das Ergebnis ist weit schöner als ich dachte. So ein alter Boden ist ja immer eine Wundertüte, weil man letztlich nicht weiß, was sich unter dem Lack verbirgt. Aber der Boden hat nicht nur überraschend wenig Macken, er hat auch eine wunderschöne Maserung. Wie man auf die Idee kommen kann, so etwas unter einem kackbraunen Lack zu verstecken, erschließt sich mir selbst in Sowjetzeiten nicht. Der Raum ist nun auch noch mal wesentlich heller. Wie ich ihn behandele, darüber bin ich mir gerade unschlüssig. Mein bisheriger Plan war eigentlich Leinölfirnis. Nun bekam ich aber den Tipp, mit Polyuretanlack zu streichen und überlege…
Mehr Bilder unter Vorher/Nachher!

23. Juuli
Mein Haus hat eine neue Tür und ist nun viel heller, weil sie zur Hälfte verglast ist. Sie war vormals im Nachbarhaus von Katrin und Argo, für das ich mich auch interessiert hatte. Letztlich haben die Beiden es gekauft und dann abgefackelt, weil es angeblich nicht zu retten war und neu gebaut. Türen und Fenster hatten sie vorher ausgebaut und so stand diese Tür zwei Jahre am Schuppen und wurde von einem Ameisenstaat in Beschlag genommen. Da mich meine extra angefertigte Tür immer geärgert hat, weil sie mir weder gefällt, noch dicht ist, habe ich Raido und Allan gefragt, ob es möglich ist, eine Standardtür einzubauen und so hat die Tür – samt Ameisenstaat im Rahmen, denen ich eine gute Portion Kieselgur „spendiert“ habe – noch ein würdiges Zuhause gefunden. Ich habe sie sofort lieb gewonnen, nicht nur weil sie sich perfekt in die Optik des Hauses einfügt, sondern auch wegen der sehr angenehmen Helligkeit. Nur das Fenster daneben sieht nun etwas deplatziert aus, es ist einfach überflüssig geworden. Im Winter werde ich sie noch mehr lieben, es war bislang immer so zugig im Flur. Natürlich ist die Verglasung doppelt und die ganze Tür ist wesentlich solider als die vorige.
Ein Bild gibt es erst später. Die Verkleidung wurde noch nicht gemacht und das sieht halt etwas unfertig aus.
26. Juuli
Ich bin immer noch nicht ganz ins Saunahaus umgezogen. Da der Boden noch immer nicht gestrichen ist, kann ich genausogut im Haus schlafen. Vilma darf nur noch ins Arbeitszimmer, dort ist ja eine Terrassentür zum Rein- und Rausgehen.
Die Schleifscheiben sind inzwischen angekommen. Ich hatte noch Pads dazu bestellt, nachdem ich im Internet gelesen habe, dass das besser für den Schleifteller ist. Das sind so Dinger, die zwischen Schleifteller und Schleifscheibe kommen. Tja, nach dem Verbrauch der ersten Schleifscheibe klebte der flaumige Klettbelag am Pad. Ich denke mal, der hat sich abgerieben, weil beim Schleifen etwas Spiel ist. Nach einstündiger Fummelei mit Pinzette, habe ich es heute ohne Schleifpad probiert, Belag reibt sich nicht ab. Komisch, früher hat man einfach irgendwelche Schleifscheiben, egal ob Markenware oder No-name gekauft und das funzte. Jedenfalls: Die Markenscheiben haben einen viel besseren Schleifeffekt, ich habe heute fast die ganze Küche geschafft mit nur zwei Schleifscheiben. Dann aber kam Aivar und hupte vom Auto aus. Schnell noch was übergezogen, um so unattraktiv wie möglich zu wirken! Aivar erzählte, dass er letzte Woche ins Messer des Rasentraktors geraten ist. Davon hatte ich nichts mitbekommen. Seine Unterschenkel waren verbunden, aber natürlich musste ich mir Fotos ansehen. Uff, das sah gar nicht gut aus! Er hat mir auch erklärt, wie das passiert ist, aber da er anscheinend beschlossen hat, mit mir nur noch Estnisch zu sprechen, habe ich nur verstanden, dass er ins Messer gekommen ist, aber nicht wie und mir fehlt die Vorstellung, wie so etwas passieren kann. Die eine Seite zeigte mindestens 20 Stiche.
Laufen konnte er aber schon wieder ganz gut. Er fragte mich, was ich gerade mache und auf meine Antwort „ma töötan – ich arbeite“ wollte er wissen was, und lies es sich zeigen. Im Wohnzimmer meinte er, ich müsse dringend die Ränder gegen Mäuse absichern. Darüber hatte ich auch schon nachgedacht, denn ich hatte sogar eine Schlangenhaut beim Ausräumen gefunden, aber vermutet, dass Fußleisten reichen. Er meinte nein, und brachte mir Nagerdraht, samt Drahtschere, Bauschaum und zum Schleifen Maske und Brille. So habe ich den Rest des Tages damit verbracht, den Nagerdraht mit einer für Frauenhände komplett ungeeigneten Drahtschere in Streifen zu schneiden und in die Ritzen zu stopfen. Den Bauschaum hat er ungenutzt zurück bekommen, ich hasse das Zeug! Bei Fenstern sehe ich ein, dass es anders kaum geht, aber Ritzen zustopfen und isolieren kann man sehr gut mit Moos, das auch besser isoliert als Bauschaum.
30. Juuli
Seit Tagen verfülle ich Löcher. Davon gibt es reichlich, denn ich habe ein echtes Talent dafür, Sachen auf den Boden zu schmeißen. Außerdem gibt es ein großflächiges Loch durch die Schleifmaschine direkt vor der Küchenzeile. Das kann nur schichtweise verfüllt werden und trocknet nur langsam. Macht aber nichts, denn ich verfülle, schleife und sehe wieder neue Löcher. Auch die meisten der vielen Astaugen müssen verfüllt werden, weil sie rissig sind. Als Kit nehme ich Schleifstaub und ein Rest alten Parkettlack. Das klappt wunderbar, aber der Holzstaub dunkelt so stark nach, dass ich den nur für die Küche nehmen kann, da diese mit farbigem Lack überstrichen wird. Das Wohnzimmer hat kaum Macken, aber dafür ein paar tiefe Tierfraßlöcher, die ich nur zur Hälfte kitte, um als Abschlussschicht etwas Helleres zu nehmen.
31. Juuli
Mit einer fleißigen Blogleserin habe ich mich über die Möglichkeiten ausgetauscht, Fremdsprachen zu lernen. Die beste App ist hier Duolingo, einfach unschlagbar. Nur hier kommen wirklich alltagstaugliche Themen, die auch wirklich bis zum Erbrechen durchgekaut werden, das heißt: sehr oft wiederholt werden. Mit Werbung ist es kostenlos, die Werbung war anfangs unaufdringlich und interessant (z.B. von Unis), inzwischen ist sie unerträglich, weil fast nur noch von Temu mit einer Frau, die sich benimmt wie ein Kleinkind, weil sie das versprochene kostenlose Smartphone nicht bekommen hat. Nun ja, man kann den Ton ausschalten… Ich mache mit dieser App Französich auf Englisch, Französisch muss ich nur auffrischen und da ich die englische Sprache nicht wirklich mag, ist es so für mich interessanter.
Es gibt nur einen Haken bei Duolingo: Obwohl sie richtig viele Sprachen anbieten, auch seltene und sogar welche, die es gar nicht gibt wie klingonisch (!), bieten sie keine baltische Sprache an. Das Baltikum scheint für Duolingo ein dunkler Fleck auf der Landkarte zu sein, denn Finnisch gibt es dann wieder. Seit ich hier lebe, bin ich also auf der Suche nach einer Alternative für Estnisch und das ist abenteuerlich.
Das erste Problem ist, dass die Wenigsten überhaupt Estnisch anbieten, die meisten guten großen wie Duolingo, Mondly, Babbel schon mal gar nicht. Hat man eine gefunden, stellt man oft fest, dass die meisten nur Vokabeltrainer sind oder Reise-Estnisch anbieten. Darüberhinaus bleiben dann nur noch wenige. Ich habe alle, wirklich alle, die man kostenlos testen kann, ausprobiert. Die, die man nicht testen kann, scheiden für mich aus, weil man dann viel Geld ausgibt, für etwas, was sein Geld nicht wert ist. Gestern habe ich z.B. noch mal eine gut bewertete App (Glossika) probiert, für den Fall dass sie ihr Programm geändert haben, mein letzter Test liegt schon länger zurück. Haben sie: Man muss nun einen Niveautest machen, der bei mir bei unverständlichem B1 lag, obwohl ich mich noch nicht mal smalltalkmäßig unterhalten kann und dann bekommt man eine gefühlte Ewigkeit immer wieder 5 Sätze vorgesprochen, die man per Mikro wiederholen soll, was NICHT korrigiert wird (hab ich ausprobiert, indem ich einfach was völlig anderes aufgesprochen habe), mit ewig großen Pausen dazwischen. Es gibt nichts, was man sonst machen kann und die Sätze haben für mich keinerlei Relevanz. Das Ganze kostet dann im Jahr 400€. Ich kann gar nicht glauben, dass auf so einen Schwachsinn jemand reinfällt.
Dann gibt es die wunderbaren Programme, die vor Fehlern nur so strotzen. Ganz super, da brennt sich dann etwas ins Langzeitgedächtnis ein, was gar nicht stimmt. Sprachenlernen24 ist so ein Programm, das sich unter der Last von Fehlern durchbiegt. Man kann sie melden, aber da tut sich rein gar nichts. Teilweise ist es so, dass der von Muttersprachlern aufgesprochene Text nicht mit dem Geschriebenen übereinstimmt. Mit der Grammatikerklärung kommt jemand klar, der gerade in der Schule ist. Für jemanden wie mich, wo das schon eine Weile her ist und die noch Tuwort statt Verb gelernt hat schier unmöglich zu verstehen. Immer wieder gibt es Loginprobleme, der Support ist unter aller Würde. Dieses Programm geht also wirklich gar nicht!
Bei manchen anderen Programmen wird die Grammatik auf Englisch erklärt und im Vergleich zur englischen Grammatik. Auch nicht ganz leicht das dann umzusetzen.
Und dann gibt es Programme, die so aufgebaut sind, dass man ohne Grammatik zu lernen eine Sprache lernen soll. Eigentlich eine prima Idee, die auch bei einfachen Sprachen wie Englisch funktioniert oder bei Sprachen, die dem selben Sprachstamm angehören wie die eigene. Da finno-ugrische Sprachen so komplett anders aufgebaut sind, ist das so gut wie unmöglich.
Ich bin kein Freund von KI, beim Sprachenlernen kommt man aber inzwischen nicht mehr dran vorbei. Es gibt neuere Programme, die komplett KI gesteuert sind, auch das habe ich mir mal angesehen. Man „unterhält“ sich mit imaginären Personen. Ich habe so eine Unterhaltung angefangen, aber leider fast gar nichts verstanden. „Emma“ meinte, ich solle mir die Sätze über den eingefügten Button mittels Google Translator übersetzen lassen. Nun ist Google nicht gerade das beste Programm für Übersetzungen, erst recht nicht was Estnisch betrifft. Eine Weile habe ich das so gemacht und „Emma“ hat dann „meine“ also Google Translators Übersetzungen korrigiert. Darin habe ich wenig Sinn gesehen und gefragt, ob sie sich nicht meinem spärlichen Niveau anpassen könne. Danach bekam ich nur noch Wörter wie Hallo, Guten Tag, Danke usw. Ich habe das Testabo noch am selben Abend gekündigt und wurde angeschrieben wegen des Grundes. Da wurde dann zugegeben, dass das Ganze noch lange nicht ausgereift und nicht anfängertauglich ist.
Auch die bezahlte Version von ChatGPT hat mich nicht wirklich überzeugt. Da soll man Texte schreiben, die dann korrigiert und bewertet (natürlich immer nur positiv) werden. Na, dafür nehme ich aber lieber Ave, die erklärt mir wenigstens vernünftig, warum ich etwas wie falsch gemacht habe und ist menschlich ;-).
Es gibt zwei estnische Programme, bei denen ich wenigstens sicher sein kann, dass es keine Fehler gibt. Speakly ist eher für jüngere Leute und die Texte drehen sich um Ausgehen und Arbeit. Obwohl es eine deutsche Version gibt, ist die Grammatik sehr kompliziert auf Englisch erklärt und das kann man erst nach Bezahlung sehen! Ich nenne so etwas Betrug.
Das zweite Programm Keeleklikk ist vom Staat und kostenlos und für mich bisher das „beste“ Programm, es ist in leicht verständlichem Englisch erklärt und die Inhalte besser. Trotzdem schaffe ich es nicht, über dieses Programm mein Estnisch zu verbessern.
9. August
Es nimmt kein Ende, ich finde ständig neue Löcher und beschließe das Kitten zu beenden. Die Stelle mit dem großen Loch ist super geworden. Eigentlich wollte ich heute die Grundierung aufbringen, mein Leben ohne Küche nervt mich gewaltig an. Aber etwas treibt mich dazu, erst mal eine kleine Stelle probezustreichen.
10. August
Der Lack trocknet innerhalb eines Tages und ist dann begehbar. Nur Aushärten muss er wesentlich länger. Als ich aber meinen Probeanstrich befühle, ist die Fläche alles andere als glatt. Es fühlt sich eher an wie 60er Schleifpapier. Mit feinem Schleifpapier drüber gehen, bringt gerade mal gar nichts. Mit gröberem kann ich gleich von vorn anfangen. Ich erfahre, dass es Holzfasern sind, die sich durch die Nässe des Lacks aufrichten. Abhilfe schafft Befeuchten des Bodens, dann noch mal mit feinem Papier drüber. Den Boden wollte ich eh feucht wischen, um den letzten Schleifstaub zu binden. Es ist jedoch unerwartet anstrengend einen rohen Holzboden zu wischen. Danach verschwinde ich eine Stunde im Saunahaus, damit die Chose in Ruhe trocknen kann. Doch als ich in Haus komme, kriege ich einen Schreck: Der ganze Boden sieht aus, wie mit Blasen überzogen!

Ich teste gleich, wie ich die Erhabungen wieder glatt bekomme. Es geht nur mit 100er Schleifpapier. Also alles noch zweimal abschleifen, erst grob, dann fein. Aber wird das dann zum Teufelskreis? Vielleicht lockert der Grobschliff wieder Fasern, die dann bei Nässe wieder nach außen treten? Es nutzt nichts, geschliffen werden muss. Blöd, weil ich mich damit jetzt gar nicht beschäftigen kann, denn der Stall muss ausgeräumt werden, weil er bald ausgebaggert wird. Ich mache schon mal den Grobschliff, der Feinschliff muss warten.
Derweil melde ich mich in einem Haussanierungsforum an und frage, ob es mit den zwei Schleifgängen getan ist. Es entbrennt eine Riesendiskussion, ob das Holz nun Kiefer ist (als solches mit verkauft worden) oder doch eher Fichte oder gar Tanne. Und ob ein Lack kratzfest sein kann. Mehrfach versuche ich meine eigentliche Frage wieder in den Vordergrund zu rücken, aber ohne Ergebnis.
So sieht es aus, wenn der Ansauger des Schleifers die Abdeckfolie vernascht:

15. August
Der Stall ist fast leer, die Arbeiter haben mir geschrieben, dass sie erst nächste Woche kommen können. So mache ich mich an den Feinschliff und teste auch gleich eine Stelle mit Anfeuchten. Es sieht nach dem Trocknen nicht mehr ganz so schlimm aus, wie vor ein paar Tagen, aber ein paar kleine Erhabungen gibt es noch. Die kriege ich aber immerhin mit der feinen Schleifscheibe glatt. Ich habe die Hälfte fertig, da fängt die Schleifmaschine an, den Boden zu perforieren. Nanu, hat sich da ein harter Krümel zwischen Schiebe und Boden gesetzt? Ich säubere Boden, Schleifscheibe und klopfe die Maschine ab. Will die Perforierungen glattschleifen und es kommen Neue dazu. Wieder alles säubern, auseinandernehmen, abklopfen, inspizieren, doch das Ergebnis bleibt gleich, ich finde die Ursache nicht. Mir reicht es so langsam mit Problemen! Es ist Donnerstag, die Chorprobe wollte ich eigentlich ausfallen lassen, aber dann dusche ich schnell über und fahre kurzerhand in die Stadt, um eine neue Schleifmaschine zu kaufen. Im dritten Baumarkt werde ich fündig und gehe anschließend noch zum Singen.
Wieder zu Hause ist mir der gerade sehr teure Strompreis egal, die Maschine muss getestet werden. Sie läuft viel leichter als die alte, macht weniger Krach und schleift ohne Perforierungen. Problem gelöst, was kommt als Nächstes?
17. August
So langsam wird die Zeit knapp, denn Anfang September muss ich nach Deutschland fahren und habe hier zwei Hofbetreuer engagiert, denen ich ein Leben ohne Küche nicht zumuten will. Jede Schicht muss mindestens fünf Tage aushärten, da die Luftfeuchte jedoch hoch ist, möchte ich die Zeit gerne auf eine Woche verlängern. Heute ist die Grundierung dran und das geht fix, denn ich mache es mit einer Rollwalze. Obwohl die Farbe noch durchscheinend ist, kann man schon gut erkennen, dass es mal klasse aussehen wird. Ich habe hafergrau gewählt, ein Gelb ohne Sonne.
Heute also die erste Nacht im Saunahaus, aber immerhin nur eine, morgen ist der Lack schon trocken.
20. August
Am Morgen rollt ein LKW mit einem großen und einem kleinen Bagger in den Hof. Der große Bagger hievt den kleinen nach unten und ich bin neugierg, wie der große entladen wird, denn anscheinend gibt es keine Vorrichtung. Es wird spannend und mir wird fast schlecht vom Zuschauen. Aber man sieht, dass der Baggerführer weiß, was er tut.
Bis zum späten Nachmittag ist der Stall vom Kuhmist, Steinen und anderem Schmodder befreit und auch schon zu einem Großteil mit Sand verfüllt. Kurz nachdem die Männer weg sind, gehe ich noch mal in den Stall um mir das anzuschauen. Mitten im Sand liegt mein Kaninchenrammler, so fest ratzend, dass er mich gar nicht bemerkt. Es war wohl ein bisschen stressig für ihn heute, denn sein gesammter Lebensraum wurde zum Chaos. Jedenfalls scheint er die neue Stallfüllung super zu finden.


21. August
Heute packe ich mit an, der kleine Bagger passt gerade eben in den Hühneranbau und so kann dieser auch noch mit Sand verfüllt werden, was das Misten deutlich leichter macht. Raido ist heute nicht dabei und so greife ich zum Spaten, um den Sand gleichmäßig zu verteilen. Allan fährt den Minibagger, der Baggerführer verfüllt derweil weiter den Stall.

Anschließend wird draußen ein Graben gezogen und die Drainage gelegt.
Den ganzen Aushub habe ich auf der Weide auftürmen lassen, denn Ziegen freuen sich immer über eine Erhöhung. Doch als ich den Berg in Augenschein nehme finde ich jeden Menge Plastik und Glas darin. Was ich finde, entsorge ich gleich und ich hoffe, dass die kommende Grasschicht weiteren Schaden abwendet.
23. August
Hart wirkt die Grundierung nicht, aber es ist ja auch nur eine dünne Schicht. Heute ist also der erste unverdünnte Auftrag dran, den ich mit dem Pinsel machen möchte, weil das Ergebnis besser als mit der Rolle ist, die immer eine leichte Orangenhaut hinterlässt. Schon beim Umrühren des Doseninhalts kommt mir der Lack extrem zähflüssig vor, das Streichen gestaltet sich so mühselig, dass ich nach wenigen Quadratmetern aufgebe und den Lack noch mal mit etwas Terpentin verdünne. Nun klappt es besser und ich hoffe, dass es keine Auswirkungen auf die Beständigkeit des Lacks hat.
30. August
Der Lack ist bis heute keine Spur härter als frisch gestrichen. Mir bleibt aber keine andere Wahl, als den dritten Anstrich aufzubringen, denn in einer Woche kommen die Hofbetreuer. Ich hatte eine Dose noch nachbestellen müssen und diese ist von der Konsistenz völlig anders. Es bleibt also ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass mit der ersten Dose etwas nicht stimmte und die nächste Schicht besser aushärtet.
5. September
Nichts ist hart, wenn ich nur mit leichtem Druck eine Fingernagelprobe mache, habe ich eine Kerbe im Lack. Inzwischen sind die Hofbetreuer da und ebenso ein Paket mit dem Klarlack fürs Wohnzimmer. Meine Idee ist nun, diesen 2-Komponentenlack noch zusätzlich aufzutragen. Dieser ist jedoch flüssig wie Wasser, ich sehe gar nicht wo ich streiche und die Schicht ist hauchdünn. Das kann doch gar nichts werden! Mein Verbrauch für 20qm ist dann auch lediglich 250ml. Da ist der Wurm drin, aber sowas von!
6. September
Mit vereinten Kräften räumen wir die Küche wieder ein. Wir sind übereingekommen, dass der Küchentisch ins Wohnzimmer kommt, Vilma weiterhin im Arbeitszimmer bleibt, die Küche aber mit etwas Vorsicht und Socken an den Füßen genutzt werden kann.
In den nächsten Tagen werde ich meine Hofbetreuer noch etwas anweisen und dann die Reise nach Deutschland antreten – meine Mutter wird 90 und es gibt eine große Feier.
10. September
Reisen gehört nicht zu meinen Stärken. Ich fahre nicht gerne Auto und bin auch nicht gerne von zu Hause weg. Am Abend erreiche ich Liepaja in Lettland und laufe mit der Fähre aus Richtung Travemünde. Die ersten Stunden verbringe ich auf dem Außendeck, wie fast alle Passagiere. Was wir sehen, ist der schönste Sonnenuntergang, den ich je gesehen habe. Beim Auslaufen steht die Sonne noch recht hoch, ist aber von Wolken verdeckt. Doch am Horizont spiegelt sie sich wolkenlos im Meer. Was wir vom Schiff aus sehen, ist ein gleißend heller Kreis auf dem Meer. Die Schiffe, die diese Stelle passieren, sehen aus, als hätten sie sich um diesen Sonnenkreis gestellt. Im Verlauf der nächsten Stunden fahren wir dem Sonnenuntergang entgegen und sehen am Himmel ein ständig wechselndes Bild von Wolken, gelbem LIcht und Sonne. Ich bin kein großer Freund von Fotografieren, aber das ist ein Moment, wo ich mir eine gute Kamera mit entsprechendem NowHow wünsche. Die Telefonkamera fängt nur zu einem Bruchteil ein, was man wirklich sieht.

22. September
Meine Rückfahrt zum Hafen führt über ein Zwischenziel im Münsterland. Seit vielen Jahren bin ich in einem Selbstversorgerforum und habe zu einigen Leuten auch privaten Kontakt, so auch zu Gerda, die schon öfter mal vorgeschlagen hat, auf meinem Weg einfach mal vorbei zu kommen. Ich fahre von der Autobahn ab und merke plötzlich, dass mein Auto nur noch mäßig beschleunigt, was sich vor allem an Steigungen deutlich zeigt. Zwei Kilometer vor Ankunft geht an einem Berg nichts mehr. Ich stehe ungünstig in der Kurve einer recht gut befahrenen Straße und werde häufig angehupt. Die Stelle ist so gefährlich, dass ich es nicht wage auszusteigen, um ein Warndreieck aufzustellen, denn das befindet sich hinter dem Fahrersitz. Eine ungünstige Stelle merke ich nun.
Nachdem ich meine Gastgeber nicht erreichen kann, rufe ich den ADAC an. Nach einer Stunde kommt auch jemand und tippt auf einen Schaden am Turbolader. Na, das hört sich ja gar nicht gut an! Ich erkläre meine Situation und der Fahrer erklärt sich bereit, das Auto zur eigenen Werkstatt mitzunehmen. Aber Nachsehen kann er erst morgen früh, um die Fähre zu erreichen, müsste ich aber bereits um 8h losfahren. Netterweise fährt er einen kleinen Umweg und bringt mich zu meinem Domizil.
Von Gerda und Ludger werde ich nett empfangen, von Owin, dem Labradormix etwas sehr stürmisch. Eine Führung über das Grundstück zeigt mir, dass ich mich hier nicht langweilen muss. Zahlreiche Apfelbäume warten auf die Ernte, außerdem gibt es Walnussbäume, einen sogar mit Riesennüssen.
23. September
Gegen zehn ruft die Werkstatt an und bestätigt den Verdacht mit dem Turbolader. Sie haben die Kabel durchgesehen und seltsamerweise fährt der Wagen nun wieder. Mit Ludgers Hilfe hole ich ihn ab und tatsächlich: Er kommt jede Steigung mühelos hoch. Für die Fähre ist es natürlich zu spät, ich muss neu buchen. Für Donnerstag finde ich eine Überfahrt.
Für Donnerstag ist hier auch das Entsaften der Äpfel geplant. Dafür müssen die Äpfel runter. Wir legen eine Plane unter den Baum, Ludger schüttelt und zusammen sammeln wir ein.

Am Abend gibt es „Apfel-Tasting“. Die Beiden haben viele verschiedene Sorten auf dem Grundstück und alle werden mal angeschnitten und im Vergleich verkostet. Dabei stelle ich fest, dass ich rötliche Äpfel meist besser vertrage als grüne.

Auch die sonstige Verköstigung ist sehr gut, Gerda ist eine hervorragende Köchin. Zusätzlich schlage ich mir den Bauch mit Nüssen voll. Dazu habe ich in Estland keine Gelegenheit, Nüsse sind dort eher selten. Ich werde aber den Versuch machen, welche in die Erde zu stecken, insbesondere die Riesennüsse.
25. Oktoober
Bevor ich mich auf den Weg nach Hause mache, gibt es schon das erste Glas frisch gepressten Apfelrohsaft. Herrlich lecker! Am liebsten würde ich jetzt noch einen Tag dableiben und beim Saften mitmachen.
Am Hafen angekommen frage ich nach, ob ich das Auto unten bei den LKW lassen kann. Die steile Rampe möchte ich dem Turbolader nicht zumuten. Auf dem Weg hierhin hat er brav seinen Dienst getan und nur ein bisschen gesummt. Aber provozieren möchte ich ihn nicht. So darf ich dann an der Bugklappe stehen, was zusätzlich den Vorteil hat, dass ich als Erstes rauskomme.
Ich habe wie schon bei der Hinfahrt keine Kabine, sondern nur einen Liegesitz. Bei der Hinfahrt war das eine Katastrophe, denn die Lehne war nicht in eine Schlafposition verstellbar und noch nicht mal die Armlehnen waren klappbar. Zudem befanden sich die Sitze offen und direkt an der Bar, wo bis spät in die Nacht Besoffene lautstarke Gespräche führten. Wie andere Fahrgäste auch schlängelte ich meinen Körper um die Armlehnen herum. Doch auf diesem Schiff ist alles anders. Die Schlafsitze sind in einem separaten Raum, die Lehnen nach hinten verstellbar, die Armlehnen nach oben klappbar.
27. Oktoober
Kurz nach Mitternach biege ich in den Räägu tee ein. An der linken Seite stapelt sich Holz die ganze Strecke entlang. Oh nein, der Nachbar vom Anfang der Straße hat seinen Wald roden lassen! Das ganze Ausmaß sehe ich am Morgen bei einem Spaziergang mit Vilma. Es ist ein Trauerspiel: Die Lebenshaltungskosten steigen ins Unermessliche, die Löhne und Renten bleiben gleich, was die Leute zum Holzverkauf zwingt. Das ist zumindest meine starke Vermutung über die Ambitionen des Nachbarn. Natürlich ist die Fernstraße nun umso lauter.

Zuhause ist alles super verlaufen. Vilma hatte eine gute Zeit und ich finde alles so vor, wie vor zweieinhalb Wochen verlassen. Nein, nicht ganz: Der Holzstapler hat eine stabile Unterfläche bekommen, das Restholz ist im Schuppen, Kartoffeln und Möhren geerntet. Wir laden noch zusammen die schweren Mitbringsel aus dem Auto, dann ziehen meine Besucher weiter.
11. Oktoober
Im Nachhinein gab es doch Anlass zum Ärger. Denn überall auf dem Grundstück, einschließlich Kompost finde ich kleine bunte Aluverpackungen von Süßigkeiten. Da war jemand zu faul zum Mülleimer zu gehen.
Inzwischen ist ein neuer Gast da, ein Afroamerikaner aus Michigan mit dem unaussprechlichem, aber schönen Namen Chizuruoke. Der junge Mann hat deutliche Probleme mit der Feinmotorik und ich quäle ihn erbarmungslos beim Frühstück mit dem Pellen von weichgekochten Eiern (geht inzwischen ohne Sauerei) und zum Abendessen mit Pellkartoffeln.
Leider ging mein Plan nicht auf, mit ihm den Zaun zu ziehen. Der Boden ist so verdichtet, dass es unmöglich ist, die sonst einfach einzuschlagenen Z-Profile in die Erde zu bekommen. Keine Ahnung, wie ich das bewerkstelligen soll, ohne meine Handwerker zu bezahlen.
Von der Fähre habe ich ein unschönes Mitbringsel mitgenommen: Krätzmilben. Das ist wohl der Preis für den Schlafsitz, der keiner war. Ich habe das dem Gesundheitsamt Lübeck mitgeteilt und die Dame am Telefon wollte mir doch glatt weismachen, von der Fähre könne das nicht sein, ich hätte das vom Hund. Dabei sind Krätzmilben eng auf Homo sapiens spezialisiert. Diesen Hinweis konnte ich mir nicht verkneifen und ich habe der Frau gesagt, dass es keine weitere Ansteckungsmöglichkeit gegeben haben kann bei meiner Lebenslage. Daraufhin meinte sie, sie würde der Fährgesellschaft mitteilen, sie sollten den Raum mal feucht wischen. Aber eigentlich könne man ja auch abwarten, ob noch mehr Beschwerden kommen. Himmel, wenn da noch mehr solche Pappnasen arbeiten, die meinen, mit feucht wischen (ich nehme an, das tut StenaLine auch ohne Gesundheitamt) und abwarten auf weitere Fälle wäre es getan – auweia!
12. November
Ich habe länger nichts geschrieben, weil ich das, was zu schreiben gewesen wäre, noch nicht spruchreif war. Und eigentlich ist es das immer noch nicht. Es bezieht sich auf einen Eintrag am 27.12.23, wo ich geschrieben habe:
Ein Tag vor Heiligabend wurde mir Sammy gebracht. Das übliche Spielchen, kein bisschen erzogen und noch nicht mal stubenrein. Und das mit drei Jahren. Aber ich hatte sofort Spaß mit ihr, Sammy ist nämlich sehr intelligent. Und so hat sie in den vier Tagen hier eine Menge gelernt, selbst das mit der Stubenreinheit klappt recht gut. Außerdem ist sie eine perfekte Partnerin für Vilma. Ich hätte also nichts dagegen gehabt, wenn sie nicht abgeholt werden würde, Sammy würde ich unbedenklich behalten.
Womit ich aber nicht gerechnet habe, Sammy sieht das genauso. Heute kündigten sich die Leute zur Abholung an. Große Wiedersehensfreude, aber als Sammy dann merkte, dass ihre Besitzer nicht nur mal kurz HALLO sagen wollten, sondern sie mit soll, war es mit der Freude vorbei. Der Hund setzte sich demonstrativ vor die Haustüre und sah dabei aus wie ein begossener Pudel. Es war absolut deutlich, dass der Hund nicht mitwollte. Die Leute haben das ganz pragmatisch gesehen, sie wollten noch weiter nach Tallinn und haben Sammy kurzerhand hier gelassen. Samstag neuer Versuch.
Beim neuen Versuch hatte ich Sammy ausgetrickst und bin den Leuten mit ihr entgegen gelaufen. Ich hatte ihnen aber gesagt, falls sie diesen Hund jemals abgeben wollen, dann bitte bei mir.
Es dauerte nur wenige Monate, dann kam keine Mail. Man habe sich überlegt, dass der Hund bei mir besser aufgehoben wäre. Ich sagte zu und dann geschah nichts mehr. In diesem Sommer kam dann wieder eine Mail, sie wären nun mit inzwischen 3 kleinen Kindern völlig überfordert von dem Hund, ob mein Angebot noch stünde. Wieder sagte ich zu und wieder geschah nichts. Mir war das nicht so ganz unrecht, weil ich ja nach Deutschland musste. Aber nach meiner Rückkehr habe ich den Mann noch mal angeschrieben und vorgeschlagen, dass sie den Hund für ein bis zwei Wochen bei mir lassen und in der Zeit entscheiden können. Darauf sind sie eingegangen, der Hund wurde vom Mann gebracht. Er machte auf mich einen hypernervösen Eindruck und es war überdeutlich, dass er froh war, den Hund loszuwerden. Er terminierte die Zeit von sich aus auf eine Woche. Sammy war genauso nervös wie der Mann, beruhigte sich aber schnell. Stubenrein war sie noch immer nicht, aber das bekam ich schnell in den Griff. Die Woche ging vorüber, die Familie meldete sich nicht. Ich habe nachgehakt – keine Reaktion. Erst nach weiterem Nachhaken, was denn nun sei, meldete sich der Mann nach zwei Wochen, sie hätten sich immer noch nicht entschieden und würden den Hund noch weiter bei mir lassen. Ich habe geantwortet, dass das so nicht gehe und sie unter diesen Umständen den Hund abholen sollen. Natürlich kam auch hierauf keine Reaktion. Heute habe ich eine Mail an die Frau geschickt und sie gefragt, wie sie das sieht. Ich bin gespannt, was nun passiert. Mein Eindruck ist, dass er den Hund loswerden will, aber gegen ihren Willen.

13. November
Mein Eindruck war nicht richtig. Die Besitzerin hat sich zurückgemeldet und es liegt nicht allein an ihr, dass sie keine Entscheidung treffen können. Sie ist derselben Meinung wie ihr Mann, dass sie dem Hund nicht gerecht werden. Sammy will viel draußen spielen, sie hat aber 3 kleine Kinder zu beaufsichtigen und ihr Mann ist überwiegend nicht zu Hause. Aber sie hängen sehr an dem Hund. Mein Tipp an sie ist, dass sie sich einen Zweithund anschaffen sollen, wenn sie sich nicht zur Abgabe entscheiden können.
14. November
Die deutsche Bürokratie habe ich ja gefressen. Und das Schlimme ist, wenn ich hier erzähle, was man in Deutschland erleben kann, schauen mich die Esten immer so an, als wollten sie sagen: „Birgit, du erzählst Märchen!“
Als ich im September in Deutschland war, habe ich einen neuen Personalausweis beantragt und dazu gleich gefragt, ob den wer anderes abholen kann. Kein Problem, mit Vollmacht geht alles. Heute war Hans im Bürgerbüro. Samt altem Ausweis und Vollmacht. Den Perso hat er nicht bekommen. Die Unterschrift des neuen Ausweises stimmt mit der Unterschrift der Vollmacht nicht überein. Grund: Ich durfte den neuen Perso nicht mit dem guten altbewährten Kuli auf noch bewährterem Papier unterschreiben, sondern am Computer. Ich habe es mehrfach probiert, denn mir fiel gleich auf, dass das nicht wirklich meine Unterschrift ist. Doch auch mehrmalige Versuche brachten kein anderes Ergebnis. Die Unterlage ist rutschig und somit nicht wie ein Papier. Nun wollen sie mir da einen Strick draus drehen. Obwohl amtlich klar ist, dass die Vollmacht von mir persönlich unterschrieben ist. Denn die steht ja auch auf dem alten, noch gültigen Ausweis. Deutsche Bürokratie in Reinkultur. Da darf ich ja gespannt sein, welche Probleme das in Zukunft bringt. Der liebe Hans macht nächste Woche noch mal einen Versuch, vielleicht ist ein hoffentlich anderer Mitarbeiter gnädiger.
18. November
Hans hat den Ausweis bekommen – hurra! Die Dame heute hat gar nicht erst nach der Vollmacht verlangt, sondern gleich den Ausweis geholt. So unterschiedlich bürokratisch sind die Deutschen. Da bleibt die Hoffnung, dass die Bürokraten irgendwann aussterben.
20. November
Ein trauriger Tag, der erst sehr gut anfing. Als ich vom Hundespaziergang zurückkam, erwartete mich eine Mail von Sammys Besitzerin: Sie seien entschieden, den Hund mir zu überlassen. Endlich! Die frohe Kunde hatte ich auch bereits verbreitet, da entschied Sammy, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Ich ging Brennholz holen, die Hunde waren im Garten. Im Holzschuppen nahm ich im Augenwinkel eine schnelle Bewegung wahr und ging nachsehen. Gehört hatte ich nichts. Hinter dem Stall fand ich Sammy, im Maul ein Huhn. Auf Zuruf legte sie es ab und kam sofort, aber mein Nachsehen ergab, dass sie das Huhn mit einem gezielten Biss getötet hat. Das zweite Huhn war unauffindbar, aber da hatte ich die Hoffnung, dass es sich versteckt hatte. Nach ein paar Stunden saß sie auch wirklich im Nest, völlig unversehrt. Es ist die Hellere der Beiden und sie ist sehr schlau, gemessen an anderen ihrer Art. Sie kommt auf Zuruf und bei Angriffen solcher Art reagiert sie nie kopflos, sondern versteckt sich. Um das andere Huhn trauere ich aber, sie war so eine Liebe und eine zuverlässige Eierlegerin. Und ein Huhn alleine geht auch nicht, ist jetzt aber eine sehr ungünstige Zeit um Hennen zu finden. Hähne werden dagegen en masse angeboten. Aber ein Hahn auf ein Huhn, das geht nicht, das wird dann Dauervergewaltigung.